Text: Michael Smosarski, 09. Juni 2021

Wer verstehen möchte, wie sich auf einem solch kleinen Flecken Erde wie Island eine derart spezielle Spielart elegischer Musik entwickeln konnte, der sollte Hugar ein Ohr leihen. Normalerweise veröffentlicht die Zwei-Mann-Band Eigenkompositionen — auf „Þjóðlög / Folk Songs“ jedoch widmen sich Bergur Þórisson und Pétur Jónsson dem kulturellen Erbe ihres Landes.

Es sind Volkslieder, aufgeschrieben und bewahrt durch den Priester und Komponisten Bjarni Thorsteinsson (1861-1938), die hier symphonisch aufbereitet wurden. Um die langen, harten Winter und Themen wie Verlust und Trauer gehe es darin (allerdings sind die Stücke rein instrumental gehalten). Was inhaltlich klischeehaft wirkt, ist klanglich schlicht beeindruckend. Streicher und Blasinstrumente formen mit Drone-Flächen und klangmalerischen Soundscapes amorphe Melodiebögen, die klassischen Songstrukturen trotzen. Dennoch verlieren sich die Stücke nicht im Ungefähren, sondern sind spannungsgeladen, geradezu fesselnd – was auch daran liegen mag, dass die Kompositionen nicht ausufern, sondern über eine Spiellänge von meist unter drei Minuten ihre Wirkung entfalten. „Þjóðlög / Folk Songs“ ist ein kleines, orchestrales Ambient-Juwel für alle Fans von Klanggemälden isländischer Prägung.

VÖ: 28. Mai 2021 via XXIM Records