Text: Oliver Schröder, 07. Mai 2021

Kopenhagener Postpunk-Drama, Akt V: Iceage stolpern mit ihrem fünften Album wieder mit Schmackes durch die Genres. Die Songs kratzen zwar mittlerweile an der 5-Minuten-Marke und wachsen stellenweise weit über sich hinaus, aber es bleibt die Wucht und das Gefühl von Unzerstörbarkeit, das uns Iceage seit gut einer Dekade immer wieder mitgeben.

Die Exposition namens „New Brigade“ erschien 2011 und schrubbte dem Hörer in 25 teilvertrackten Minuten die Hälfte des Plattenregals um. Seitdem wurde das Tempo bisweilen etwas herunter-, die Dramatik dafür immer weiter hochgefahren. Unter dem bezeichnenden Titel „Seek Shelter“ werden vergangene Großtaten des Rock’n’Roll abgefeiert. Selbstverständlich so, als gäbe es kein Morgen. Man muss sich das einmal bildlich vorstellen: Es gießt in Strömen, überall regnet es durch die Decke. Es werden Eimer aufgestellt, die das Schlimmste verhindern sollen. Trotzdem bilden sich große Pfützen, sodass das Equipment immer wieder verrückt werden muss. Mitten in diesem feuchten Albtraum gelingt es den Dänen eine dermaßen große Hitze zu entfachen, dass sich am Ende neun Songs in die Plattenrillen brennen und schließlich das Album lichterloh in Flammen stehen lassen.

Dick aufgetragene Streicher, Schunkelmelodien, Brit-Pop-Hymnen und schmalzige Gitarrensoli – es ist ein kleines Wunder, wie selbstverständlich die Stücke mit dem ganzen gestrigen Poser-Krempel vollgestopft werden und doch so frisch klingen, als wohne man der Entstehung eines neuen Genres bei. Elias Bender Rønnenfelt wechselt als Frontmann mehrfach die Kostüme. Mal ist er Jim Morrison, mal Joe Strummer, mal Bobby Gillespie, immer sitzt die große, düstere Geste perfekt. Am Ende springen sie alle betrunken und mit weit ausgestreckten Armen ins Drumkit. Der Aufprall findet natürlich in Zeitlupe statt.

VÖ: 05. Mai 2021 via Mexican Summer