Text: Säm Wagner, 01. Juli 2022

Für Jochen Distelmeyer schließt sich ein Kreis. Seit seinem ersten Soloalbum „Heavy“ im Jahr 2009 veröffentlichte der große deutsche Pop-Dichter keine musikalischen Eigenkompositionen mehr. Stattdessen schrieb er ein Buch („Otis“), veröffentlichte ein Album mit Coverversionen („Songs from the Bottom, Vol.1“), zog nach Berlin und ging wieder mit seiner Band Blumfeld auf Tournee. Distelmeyer sieht diese Zeit als einen Werkzyklus an. Comeback? Mitnichten. Er war doch immer da.

Trotzdem kam die Ankündigung eines neuen Soloalbums vor ein paar Wochen überraschend. Neue Lieder? Schon so bald? Vorfreude war in der Luft.

Vom Verliebtsein bis zum Liebeskummer — Jochen Distelmeyer öffnet uns auf „Gefühlte Wahrheiten“ sein Herz. Opener und Liebeslied „Komm (So nah wie du kannst)“ erinnert wunderschön an Blumfeld-Klassiker „Tausend Tränen tief“. Und schon einen Song später („Zurück zu mir“) ist es schon wieder aus mit dem Verliebtsein. Jochen Distelmeyer zeigt sich nahbar und offen, seine Texte sind nicht mehr verklausuliert. Er singt über die Gefühle. Entwaffnend ehrlich. Und ausschließlich. Und das wird viele seiner Fans vielleicht zunächst stutzig machen. Vom politischen Pop-Sänger Jochen Distelmeyer ist hier wenig übrig. Der Poet klagt die Verhältnisse kaum mehr an. Jetzt geht es um Gefühle, die Liebe – und das danach.

Auch musikalisch bewegt sich Jochen Distelmeyer noch weiter von seinen Indie-Rock- und Postpunk-Wurzeln weg. Mehr als schon auf den letzten Blumfeld-Alben setzt er auf Pop, Soul, R&B, auch mal 80ies Pop („Im Fieber“), um in der zweiten Albumhälfte ein ganz neues Kapitel aufzuschlagen: Country. Das lässt er beim Blues „Manchmal“ anklingen, aber vor allem bei seinen ersten drei Kompositionen in englischer Sprache (die drei Songs hatte Distelmeyer eigentlich für ein angedachtes Country-Mixtape geschrieben). So bietet „Gefühlte Wahrheiten“ genügend Abwechslung. Doch bei aller Liebe zur Liebe und ihren Folgen: Viele Distelmeyer/Blumfeld-Fans werden bei „Gefühlte Wahrheiten“ ein wenig die Wut gegen die Gesellschaft im Bauch des Künstlers vermissen. Auch das verschlüsselte Spiel mit den Worten ist gewichen.

Aber vielleicht denkt Jochen Distelmeyer schon einen Schritt weiter. Ist es in dieser schwierigen Zeit nicht wichtiger denn je, sich klar und deutlich auf die Liebe und die Hoffnung zu besinnen?

28.08.2022 Hamburg – Kampnagel
20.09.2022 Nürnberg – Z-Bau
21.09.2022 Jena – Kassablanca
22.09.2022 Hannover – Lux
27.09.2022 Berlin – Hole 44
28.09.2022 Leipzig – Naumanns
29.09.2022 Dresden – Groove Station
01.10.2022 Marburg – KFZ
02.10.2022 Frankfurt – Brotfabrik
03.10.2022 Düsseldorf – Zakk
04.10.2022 Bielefeld – Stereo
06.10.2022 Leer – Zollhaus
07.10.2022 Köln – Gebäude 9
08.10.2022 Göttingen – Musa
09.10.2022 Osnabrück – Bastard Club
10.10.2022 Bremen – Tower
25.10.2022 (AT) Salzburg – Arge Kultur
26.10.2022 München – Ampere
27.10.2022 (CH) Zürich – Bogen F
28.10.2022 Karlsruhe – P8
29.10.2022 Essen – Zeche Carl

VÖ: 01. Juli 2022 via Four Music