Text: Tim Brügmann, 10. Januar 2022

Frustration ist das Stichwort, welches die Gefühlswelt der meisten seit nunmehr zwei Jahren Pandemie wohl am besten beschreibt. Inmitten sich ständig ändernder Auflagen und Verhaltensregeln, vor allem im Bereich der Live-Musik, haben die vier Berliner von Red Strict Area nun ihr lang ersehntes zweites Album „Kuyashii“ aufgenommen und wagen den nächsten Schritt.

„Kuyashii“ beschreibt im Japanischen aber nicht nur Frustration, vielmehr ist es ein Konzept. Die Kuyashii-Mentalität beschreibt eine Haltung, die auf ein bloßes „Das geht nicht!“ mit Ehrgeiz und dem Willen antwortet, es in einen Erfolg umzuwandeln. Dieses Kunststück gelingt Red Strict Area aus der Hauptstadt mit ihrem zweiten Album allemal. Denn auch wenn die Konzertsäle der Republik weitestgehend geschlossen bleiben, zeugen die sechs Postrock-Oden vom Aufbruch und dem Schritt heraus aus dem Schatten der Pandemie. Ein Malstrom aus Gefühlen, Riffs, Basslines und rastlosen Vocals bahnt sich auf „Kuyashii“ seinen Weg in die Gehörgänge seiner Hörer und lässt sie das Erlebnis Live-Musik noch einmal schmerzlicher vermissen.

Egal ob mit der Nautilus 20.000 Meilen unterm Meer, tief hinein in ein schwarzes Loch oder einfach im Hier und Jetzt einen gewaltigen Gletscherabgang beobachtend: Dieses Album reißt mit und sorgt an mancher Stelle sogar für das Genre eher untypische Ohrwürmer. Getragen werden die zu Klang gewordenen Naturgewalten, die Andreas Budtke, Danny Huhn und der damalige Bassist Hans Schreiber aus ihren Instrumenten schnitzen, maßgeblich von den Atlas-Schultern des Sängers und Gitarristen Patrick Kuhn. Seine mal gepresst, mal gehaucht vorgetragenen Vocals verleihen „Kuyashii“ eine treibende Dringlichkeit und sorgen für willkommene Abwechslung im Meer aus Instrumental-Alben oder gebrüllten Hardcore-Exzessen. Die Songs allen voran die verheißungsvollen Opener „City Lights“ und „Dantes World“ funktionieren dabei nicht nur als Gesamtkunstwerk, sondern auch als Einzelgänger einer jeden gut sortierten Postrock-Playlist.

Auf ihrem zweiten Album beweisen Red Strict Area nach ihrer großartigen Single „We Fall“ im Jahr 2020 erneut, dass sie längst kein Geheimtipp mehr sind und sich vor Genregrößen zwischen Post-Rock, Shoegaze und Art Rock nicht zu verstecken brauchen. Ferner ist „Kuyashii“ ein glänzendes Beispiel, dass Postrock-Alben nicht immer ausufern müssen, sondern es auch ein kurzer kräftiger Windstoß vermag, das Boot über reißende Wellen direkt in den Zielhafen und hoffentlich bald wieder auf die Bühne zu tragen.

VÖ: 17. Dezember 2021 via Red Strict Area