Text: Patricia Leuchtenberger, 07. September 2022

Wie aus dem Nichts katapultiert sich der Newcomer SCHRAMM als angehender Protagonist der neuen deutschen Welle auf den Radar der blühenden Szene und in ihre Herzen. Denn Arne Schramm, der auf seinen Vornamen als Musiker verzichtet, weiß genau, was er will, und er will es so schnell wie möglich: seit April promotete er auf durch Instagram energisch sein Debüt, im Juni wurde dann die erste Single „Off without me“ veröffentlicht, bis nun seine EP „I made this for myself (I didn’t make it for you)“ auf dem Markt ist. Darin kombiniert er verschiedene Ästhetiken und Klänge der gegenwärtigen Popkultur raffiniert neu miteinander und nutzt sie, um Jahrhundertthemen wie Verliebtheit und Trennung in neues Licht zu tauchen.

Zu Beginn des Tapes begrüßt SCHRAMM in „I died when you asked me to go out“ den Hörer mit dumpfer Produktion und mitreißender Melodie, welche seine Ängste (wie schon im Titel angedeutet) untermalen. Anstatt auf seinen Unsicherheiten auszuharren, modelliert er diese Verletzlichkeit so um, dass sie für SCHRAMM selbst und dem Publikum feierbar ist. Weiter nutzt er diese Bruchstellen wie in „Sweaty Hands“, das thematisch einem ähnlichen Schema folgt und die schüchterne Nervosität nur noch ausbreitet, um in seine psychischen Vulnerabilität zu flanieren. Doch wenn die ersten Töne von „Off without me“ erklingen, ist die ganze Verschüchterung wie weggeblasen und mit aufbrausenden Selbstvertrauen haut SCHRAMM in die Saiten seiner elektrischen Gitarre, welche mit einem synthetischen Beat unterlegt, mit autotuneden Gesang ausgeschmückt wird und somit stilistisch Anschluss an die erste Hälfte findet. Dass der fetzige Post-Punk Track heraussticht und die Glanzparade der Platte ist, wird klar, wenn die nächsten Tracks „When you’re gone“, „Mehr Zeit mit dir“ und zuletzt „Streichholzmann“ anklingen. Jeder dieser Songs lehnt sich genug an die restliche Komposition; gerade genug, um ein in sich geschlossenes Debüt zu bilden, aber nicht zu sehr, als dass es repetitiv und lustlos erscheint.

Denn durch das entspannte Ambiente und den simplen Strukturen verwässert das Tape zu einem großen, unglaublich warmen und ehrlichem Debüt, das besonders mit „Mehr Zeit mit dir“ die (multilinguale) Experimentierfreude von Arne Schramm anklingen lässt. Zwei Sprachen miteinander in der Musik zu vereinen ist in der Szene erstaunlicherweise doch noch ziemlich ungewöhnlich; Parallelen zu bedeutsamen Vertretern wie Drangsal finden sich nicht nur hier, sondern auch an der abgewetzten britischen Art Musik zu machen, mit der SCHRAMM ein hingebungsvolles und betörendes Erlebnis für alle Verliebten und Nicht-Verliebten schafft.

Gerade nach seinem ersten Release verbringt Arne Schramm nun wohl einen großen Teil der Zeit damit, die Kassetten seines Tapes, die er eigenhändig über Instagram vertreibt, zu verschicken und Fragen sowie Anregungen seiner Community zu beantworten. Sich nicht für seine Verletzlichkeit zu schämen ist mittlerweile gängiges Gedankengut in der Independent-Szene, aber sich auf die Ebene der Zuhörerschaft fallen zu lassen und wirklich nahbar, zugänglich zu zeigen ist eine Eigenschaft, die SCHRAMM letztendlich zu einem Künstler macht. Da kann man sich nur wünschen, dass die nächsten Projekte von Arne Schramm ein Heim in der deutschen Musiklandschaft finden.

VÖ: 19. August 2022 via Am Anfang angekommen