Text: Bernd Skischally, 24. Januar 2022

Das gibt es selten: Nur drei Monate nach der Veröffentlichung ihres zweiten Albums „El Refugio“ erscheint eine Live-Platte von Sei Still aus Mexico City, mit fünf Stücken der nach ihrem Label benannten „Fuzz Club Session“. Aufgenommen in den Berliner Monoton-Studios im Oktober 2020. Nun zählen die auf alle Formen von Psychedelic spezialisierten Londoner von Fuzz Club sicher zu den veröffentlichungsfreudigeren europäischen Indie-Plattenfabrizierern, aber die Session-Tracks sind allesamt auf „El Refugio“ zu finden, also warum sollte man sie sich gleich nochmal ins Regal stellen?

Dazu ließen sich jetzt die mit Toningenieursohren herausgefilterten Aufnahmeraffinessen der beiden Scheiben vergleichen, die tatsächlich schnell verschiedene Gewichtungen erkennen lassen, oder man stellt einfach fest: Fuzz Club ist dem Charme und dem Drive der jungen Mexikaner ebenso erlegen, wie alle, die sie auf ihrer Europa-Tour im vergangenen Jahr erlebt haben. Wahrscheinlich konnte man sich in London schlichtweg nicht entscheiden, welche Song-Versionen nun besser sind. Die fünfköpfige Band, die zuletzt längere Zeit in Berlin ansässig war, macht eben Bock. Vom alten (Neu!) und neuen (Camera) Krautrock beeinflusst, kreieren Sei Still inzwischen auf Post-Punk-Basslines schwimmende New-Wave-Welten. Dazu spricht, schreit und jauchzt Sänger Lucas Martin universell funktionierende spanische Texte, die gerade wegen des betont unterkühlten Vortrags die präzise Motorik der Band anpeitscht.

Zugegeben: Hat man sich mal auf die Live-Session eingeschossen, gewinnen die EP-Versionen von „Salados Caidos“, „Hombre Animal“ „Las Puertas De La Noche“, „Me Persigue“ und „Solsticio“ im Direktvergleich mit den Albumfassungen, denn nur sie hypnotisieren einen wieder und wieder so, als stünde man nochmal in diesem dunklen Raum des ersten Sei Still-Konzerts.

VÖ: 21. Januar 2022 via Fuzz Club