Text: Patricia Leuchtenberger, 16. September 2022

In Zeiten der Übermacht diverser Streamingdienste sorgt der immerwährende Release von neuer (und dann doch alter) Musik, meist befeuert durch machthungrige Labels, konstant für Gesprächsstoff. Orlando Higginbottom, ein Mann, der gern mit Dinosaurierkopf bei seinen Shows auf der Bühne herumspringt, entfernt sich nicht nur aufgrund seines exzentrischen Auftretens von diesem zeitgenössischen Phänomen. Dass ein tiefes künstlerisches Verlangen nach Umorientierung in ihm schlummerte, war mitunter einer der Gründe, wieso Totally Enormous Extinct Dinosaur Fans ganze zehn Jahre auf ein Debüt Follow-up warten mussten. Doch jetzt ist es soweit: „When The Lights Go“ übertrifft alle Erwartungen.

Die EP „Never Seen You Dance“, welche im Juli schon fünf der bevorstehenden 17 Songs offenbarte, versprach eine vielseitige und ganzheitliche Platte. Es schien diese Art von Album zu werden, dessen Songs dich dazu bringen, durch eine voll besetzte Universität mit deiner Love-Interest zu tanzen (passiert auch im gleichnamigen Musikvideo) und sich keine Sekunde dafür zu schämen. Feelgood Musik schön und gut, aber kann Higginbottom auch mehr? Dass er Ahnung davon hat, wie gute Pop-Strukturen funktionieren, hat er seit Karrierebeginn in Engagements für verschiedenste Produktionen von Lady Gaga über Katy Perry bewiesen. Von diesem Image bewegt sich TEED nun mit „When The Lights Go“ weg; obwohl eine Handvoll Dance-Hymnen radiotauglich und simpel gestrickt sind (Never Seen You Dance, Be with You) führt der Tausendsassa synthetische 90er- Vibes (The Sleeper, Friends) mit experimentellen Technosound zusammen. Im Anfangstrack „Crosswalk“ besticht ein heller Gesang alla Tame Impala auf verzerrte, kratzende E-Gitarren, im letzten „Thugs“ verschwimmen jazzige Drums, ein zögerliches Klavier und ein Saxofon-Solo zu einem einzigen Traum. Dagegen bringen „When The Lights Go“, „Forever“ und „Through the Floor“ die rhythmisch und traditionell elektronische Seite von Totally Enormous Extinct Dinosaurs hervor.

Der volle Instrumentenkorpus ist für den Hörer fast überwältigend, und das überragende Handwerk des Künstlers kommt durch seine vielen Nuancen und ihres cleveren Arrangierens erst zum Vorschein. Orlando Higginbottom präsentiert auf seiner neuen Platte im Übermaß, was er auf dem Kasten hat, ohne dass es sich aufgeladen oder gezwungen anfühlt, noch selbstgefällig. Warme Worte über Liebe und Freiheit erreichen den Sopran und den Hörer; wer „When The Lights Go“ auf dem Schirm hat, dem kann der Winter nichts anhaben.

VÖ: 09. September 2022 via Nice Age