Text: Oliver Schröder, 04. März 2022

Death of a Disco Dancer: Der musikalische Output ist bei weitem nicht mehr so heiß, wie die schmutzige Wäsche, die in der Öffentlichkeit gewaschen wird. Ein bisschen wie bei den Gallaghers also, wobei sich Noel sich als Solokünstler immerhin recht ordentlich weiterentwickelt hat. Johnny Marr scheint zumindest die letzten 20 Jahre mehr oder weniger auf der Stelle zu treten. Seine Fieberträume sind weniger fiebrig, sondern eher solide.

Marr will mit seiner „Language Of The Song” einen Bogen von den Smiths bis heute spannen. Die gründeten sich vor relativ exakt 40 Jahren. Schon fünf Jahre später war bekanntlich Schluss, aber die Trümmer aus der damaligen Implosion fliegen immer noch im Raum herum. Erst vor ein paar Tagen schrieb Morrissey einen bitterbösen, offenen Brief an Marr, in dem er ihm quasi verbot, seinen Namen überhaupt noch in den Mund zu nehmen. Wenn auch eine Reunion nochmal alle Stadien füllen würde, diese Giftspritzerei alter Männer interessiert heute kaum noch jemand. Dass Morrissey nicht mehr allzu viele Latten auf dem Zaun hat, kann ebenfalls fast schon als Konsens in der Popwelt bezeichnet werden.

Apropos Konsens, auf Fever Dreams Pts. 1-4“ gibt genau das, was zu erwarten war: synthiegetriebener Britpop, der mal schneller und mal langsamer läuft. Dazu ein paar nette Songideen und der etwas melancholische Beigeschmack, dass diese ausgestellte Art von sonnenbebrillter Altherren-Coolness langsam aber sicher ausstirbt. Geblieben ist Marrs Hang dazu, seine Songs auf bis zu fünf Minuten auszudehnen, was die Gefahr beinhaltet, dass selbst flotte Stücke wie der New-Order-Doppelgänger „Night and Day“ einen Teil ihrer Knackigkeit verlieren. Es bleibt aber immerhin ein unpeinlicher Gang durch die Ahnengalerie britischer Popmusik. Man freut sich ein paar alte Bekannte zu treffen, aber es dämmert einem auch, wie lange das alles schon her sein muss.

VÖ: 25. Februar 2022 via BMG