Text: Christian Selzer, 08. Juni 2021

Kaum wird gelockert, steckt man schon im Dilemma: Wohin als erstes, um den Corona-Budenkoller zu vertreiben? Flucht in die Eckkneipe? Oder Jogging- gegen Badebuxe eintauschen und ab in den Süden? Für alle Dauergrübler, die dann doch daheim auf der Couch versacken, liefert Portico Quartet den perfekten Soundtrack. Die Londoner verschachteln urbanen Jazz mit tropischen Klängen und stillen so das Fernweh, indem sie zum Trip in den eigenen Kopf einladen.

Prägend für den Sound von Portico Quartet ist das Hang – eine wokartige Klangschale, die mit exotischen Tönen für Instant-Karibik-Feeling sorgt. Auf der dreiteiligen Suite „Terrain” verdichten die Freigeister ihren eigenwilligen Genremix aus Jazz, Ambient und Minimal-Music weiter. Gekonnt setzen Portico Quartet ausufernde Breitwandsounds in Szene und lassen sphärische Töne zu opulenten Klangbildern zerfließen. Harte Schnitte sucht man vergebens, die Parts blenden ineinander über und bleiben im Fluss. Dazu seufzt das Saxofon und die repetitiven Melodien des Hangs schrauben sich in in ätherische Höhen. Obwohl hier zweifelsfrei Könner am Werk sind, kommt „Terrain” komplett ohne Muckerallüren aus. Dafür ist die Instrumentierung zu pointiert, fast zurückhaltend. Mit ihrem Ansatz, verschiedene Genres zu filmischen Soundcollagen zusammenzufügen, reihen sich Portico Quartet perfekt ein in die Riege von Künstlern wie The Cinematic Orchestra, Bonobo oder Floating Points.

Abzüge in der Gesamtnote gibt es für das Fehlen eines Beipackzettels. „Terrain” müsste dringend mit dem Verweis versehen sein, dass sich der Ruhepuls beim Hören gefährlich gen Null neigt. Doch wer ein Ticket für die Spätvorstellung im Kopfkino lösen möchte, wird an den trippig-entspannten Klanglandschaften auf „Terrain” garantiert Gefallen finden.

VÖ: 28. Mai 2021 via Gondwana Records