Text: Patricia Leuchtenberger, 13. Oktober 2022

Wann sieht man schon eine Frau, die vom Himmel auf eine brennende Erde fällt? Das äußerst schlicht gehaltene Aushängeschild des Fünflings der ehemals allgegenwärtigen Yeah Yeah Yeahs kommuniziert die apokalyptische Thematik im Voraus, um die sich die neue Platte der Rockband dreht und setzt aufreibende Töne angesichts einer neuen menschenbedrohenden Ära. „Cool It Down“ referiert nämlich nicht nur auf die ermüdende Devegetation des Klimas, sondern auch auf den aktuell als ernüchternd befundenes Comeback von Yeah Yeah Yeahs mit ihrem fünften Studioalbum. Denn die Klanglandschaft ist insgesamt enttäuschend abgekühlt, ja gediegen gehalten, bedient aber eine breite Palette von Hommagen an die 70er.

Das Album beginnt sogleich mit der ersten Singleauskoppelung „Spitting Off the Edge of the World“ mit dem Feature Perfume Genius, den die Leadsängerin Karen O als zweiten David Bowie bezeichnet. Der Song protokolliert ein Gespräch zwischen Mutter und Sohn, welcher sie vorwurfsvoll fragt: „Mama, what have you done?“ „Ich sehe die jüngeren Generationen dieser Bedrohung entgegenstarren, sie stehen am Rande eines Abgrunds und konfrontieren das, was kommt, mit Wut und Trotz. Das elektrisiert und macht Hoffnung“, kommentiert Karen O die Konzeption der Platte. Und so gibt der erste Song eine mächtig klingende Soundkulisse ab, die leider mit „Burning“, welches durch einen Refrain von Four Seasons „Begging“ geprägt ist, und „Wolf“ zu schnell zu Ende ist.

Mit „Lovebomb“ und „Blacktop“ zeigen sich dann seltsame Entscheidungen, die im musikalischen Handwerk getroffen wurden. Im Gegensatz zu den anderen Brettern fügen sie sich nur schwerlich konstruktiv in die Trackabfolge ein. Dazwischen liegen dann noch die Tracks „Fleez“, welcher eine rhythmische Homage an das Funk-Rock-Projekt ESG ist, „Different Today“, welches wie eine erweiterte Version von „Fleez“ klingt und „Mars“, bei dem komplett auf Gesang verzichtet wird, wiederholt eine Art Sprechakt mit dem Sohn nacherzählt und mit futuristischen Synthesizern untermalt wird.

Gegen alles rebellieren die Yeah Yeah Yeahs schon seitdem sie mit ihrer unbehaglichen Gesellschaftsstudie im monumentalen ersten Studioalbum „Fever To Tell“ den Nagel auf den Kopf trafen, sondern sogar musikalische Entwicklungen in der Zeit des aufsteigenden Digitalismus der Postmoderne vorwegnahmen. Zuvor hatte das Trio mit einer Folk-EP debütiert, erkannte ihre Wandlungsfähigkeit an und transformierte mit wegweisendem Art-Rock und Indietronica die durchweg analoge Selbstauffassung der Musikbranche.

Und neun Jahre lang gingen Karen O (Gesang, Piano), Nick Zinner (Gitarre, Keyboard) und Brian Chase (Schlagzeug) getrennte Wege, bis ein Besuch eines japanischen Restaurants in LA die Entscheidung der über die Zukunft der Yeah Yeah Yeahs entlockte. Hauptsächlich ging es um folgende Frage: Wie altert ein Projekt würdevoll in einer jungen Industrie, das einst zu den schillernden Rockbands in den 2000er gehörte; dazu jetzt im selben Alter wie der früher in der Punkszene so verhassten Elterngeneration? Nun, man redet genau über diese und über ihre Verantwortung im klimatischen Weltgeschehen. Aber auch über eine hoffnungsvollere Zukunft, bei der doch das Schöne ist, dass die in unseren Händen liegt.

„So glad that we made it, it’s our time to be hated“, heißt es in dem Debüt der Yeahs. Viele waren sich unsicher darüber, ob das Trio ihre Musik nach ihrem langen Hiatus endgültig auf Eis legt, doch mit „Cool It Down“ stellen sie klar: We’re here to stay.

VÖ: 30. September 2022 via Secretly Canadian